Die Auflösung einer juristischen Person (BV, NV, stichting, vereniging oder coöperatie) in den Niederlanden erfolgt durch einen Beschluss des dazu befugten Organs, häufig der Hauptversammlung, wenn es um ein BV oder NV geht. Wenn es sich um eine Stiftung (stichting) handelt, erfolgt die Auflösung durch einen Beschluss des Vorstands oder des Organs, das gemäß der Satzung die Auflösung beschließt.
Eine juristische Person kann durch das Gericht in bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Fällen, durch die Handelskammer im Falle der Inaktivität oder durch den Eintritt eines in der Satzung vorgesehenen Ereignisses aufgelöst werden.
Die Auflösung nach der Konkurserklärung erfolgt entweder durch die Aufhebung des Konkurses aufgrund des Zustands der Masse (‘mangels Masse’) oder durch die Insolvenz, die ab der Gläubigerversammlung wirksam wird, wenn keine Einigung erzielt wurde. Ein Verein (vereniging) oder eine Kooperation (coöperatie) wird aufgelöst, wenn sie keine Mitglieder mehr hat.
Nach der Auflösung bleibt die juristische Person so lange bestehen, wie es für die Liquidation ihres Vermögens erforderlich ist. In den Dokumenten und Mitteilungen der Gesellschaft ist offiziell der Zusatz ‘in Liquidation’ zu verwenden. Liquidation bedeutet Auflösung, d.h. das Vermögen wird zwecks Verteilung aufgelöst.
Erst wenn die Liquidation abgeschlossen ist, hört die juristische Person auf zu existieren. Eine aufgelöste juristische Person besteht grundsätzlich weiter, es sei denn, sie hat kein Vermögen mehr. Die juristische Person in Liquidation hört daher erst dann auf zu existieren, wenn die Liquidation abgeschlossen ist.
Die Entscheidung darüber, wann dies der Fall ist, obliegt im Prinzip den Liquidatoren. Oftmals werden die Geschäftsführer in der Satzung zu Liquidatoren bestimmt. Diese müssen die Tatsache, dass die juristische Person nicht mehr existiert, im niederländischen Handelsregister anmelden.
Eine reguläre Liquidation nach der Auflösung bedeutet, dass die Liquidatoren, die in der Regel ehemalige Geschäftsführer sind, die Vermögenswerte der Gesellschaft oder des Unternehmens verwerten und den Erlös an die Berechtigten verteilen. Die Rangfolge, nach der dies geschieht, ist in den gesetzlichen Bestimmungen über die Liquidation nicht festgelegt.
Es ist jedoch auch in den Niederlanden selbstverständlich, dass die übliche gesetzliche Rangfolge beachtet werden muss. Grundsätzlich müssen die Gläubiger in der Reihenfolge ihres Ranges befriedigt werden. Das bedeutet, dass die bevorrechtigten Gläubiger vollständig befriedigt werden müssen, bevor die ‘normalen’ (ungesicherten) Gläubiger befriedigt werden können. Erst danach können die nachrangigen Gläubiger bezahlt werden.
Wenn nach der Bezahlung aller Gläubiger ein Restbetrag übrig bleibt, kommt dieser den Aktionären zugute. Bei Vereinen und Stiftungen muss ein eventueller Überschuss satzungsgemäß verteilt werden. In den Satzungen von Stiftungen ist häufig festgelegt, dass ein Überschuss an eine Stiftung mit einem entsprechenden Zweck ausgeschüttet wird.
Wenn die niederländische Gesellschaft zum Zeitpunkt der Auflösung kein Vermögen mehr hat – wobei die tatsächliche Situation maßgeblich ist – erlischt die Gesellschaft von Rechts wegen (d.h. automatisch) durch den Auflösungsbeschluss. Dies wird als Turboliquidation bezeichnet. Im Ergebnis kann die gesamte Liquidationsphase entfallen, da es nichts zu liquidieren (zu verwerten) gibt.
Das Gericht kann prüfen, ob eine Turboliquidation rechtmäßig war. Obwohl das Auflösungsformular, das im Handelsregister der Handelskammer eingetragen ist, besagt, dass zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses kein Vermögen vorhanden war, ist es wichtig, dass der Sachverhalt maßgeblich ist, und nicht, dass der Liquidator keine Kenntnis von einem Vermögen hatte.
Die Vorschriften über die Turboliquidation ermöglichen einen schnellen Verkauf des Vermögens vor der Auflösungsphase. Dabei muss der Vorstand die Gleichheit der Gläubiger berücksichtigen. Selbst wenn nach dem Verkauf kein Vermögen mehr vorhanden ist, sondern nur noch Schulden, führt ein Auflösungsbeschluss dazu, dass die Gesellschaft von Rechts wegen aufhört zu existieren.
Da aufgrund der Corona-Krise viele Unternehmen voraussichtlich im Zuge der Turboliquidation aufgelöst werden, gillt seit Kurzem ein neues Gesetz, das dem Vorstand im Falle der Turboliquidation bestimmte Pflichten auferlegt. Dieses Gesetz schreibt vor, dass die folgenden Dokumente innerhalb von 10 Tagen nach dem Auflösungsbeschluss beim niederländischen Handelsregister eingereicht werden müssen:
a) eine Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr, in dem die juristische Person aufgelöst wurde;
b) eine schriftliche Erklärung über die Gründe für das Fehlen von Vermögenswerten zum Zeitpunkt der Auflösung und gegebenenfalls über die unbezahlten Gläubiger;
c) eine Schlussverteilungsliste, die den gesetzlichen Vorschriften entspricht, ist erforderlich, wenn die Gläubiger vor der Auflösung der juristischen Person im Rahmen der Vermögensliquidation befriedigt wurden und
d) alle nicht veröffentlichten Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre vor dem Geschäftsjahr, in dem die juristische Person aufgelöst wurde.
Die Einreichung dieser Dokumente gibt Gläubigern und anderen interessierten Parteien zumindest einen Einblick in den Ablauf der Turboliquidation. Wenn die Gläubiger nicht beteiligt sind, können sie erwägen, die Geschäftsführer auf dieser Grundlage zu verklagen.
AMS Advocaten verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung von deutschen und niederländischen Unternehmen im Insolvenzrecht. Bei Fragen zum niederländischen Recht wenden Sie sich bitte an unseren deutschsprachigen Anwalt Onno Hennis oder Hidde Reitsma, Telefon +31 20 308 03 15.