Fast 90 % der aufgelösten juristischen Personen in den Niederlanden wurden jährlich durch eine “Turboliquidation” beendet.
Nach niederländischem Insolvenzrecht handelt es sich bei dieser “beschleunigten Liquidation” um einen einfachen Weg zur Auflösung eines Unternehmens. In der Regel werden die Vermögenswerte des aufgelösten Unternehmens liquidiert, d. h. an die Gläubiger verteilt. Der Liquidator legt Rechenschaft über die Liquidation ab. Wenn ein Unternehmen jedoch kein Vermögen mehr hat, gibt es auch nichts mehr zu liquidieren.
Gemäß Artikel 2:19 Absatz 4 CC des niederländischen “Burgerlijk Wetboek” (Bürgerliches Gesetzbuch) kann der Vorstand das Unternehmen einfach auflösen und dies dem Handelsregister melden. In diesem Moment hört das Unternehmen auf zu existieren, auch wenn noch unbezahlte Schulden vorhanden sind.
Diese Regelung soll es einem Unternehmer ermöglichen, sein Unternehmen problemlos abzuwickeln und zu beenden. Der Unternehmer kann sein letztes Vermögen veräußern und an seine Gläubiger verteilen, woraufhin die juristische Person trotz verbleibender Schulden mit einem einfachen Brief an das niederländische Handelsregister aufgelöst wird.
Die Praxis gestaltet sich jedoch oft schwierig. Unbezahlte Gläubiger können die beschleunigte Liquidation durch einen Konkursantrag vereiteln. Der Geschäftsführer läuft außerdem Gefahr, von einem unbezahlten Gläubiger haftbar gemacht zu werden. Aus diesem Grund ist die Turboliquidation leider eine attraktive Option für skrupellose Unternehmer.
Um das Vertrauen in den Handel mit Turboliquidationen zu stärken und gleichzeitig den Missbrauch zu bekämpfen, wurde neulich ein Gesetz über die Transparenz von Turboliquidationen in den Niederlanden angenommen. Die gesetzliche Verordnung ist ab dem 15. November 2023 in Kraft getreten.
Ziel dieser Verordnung ist es, die Transparenz zu erhöhen und die Informationslage der Gläubiger zu verbessern. Dies geschieht durch die Rechenschaftspflicht des Vorstands und ein Einsichtsrecht für Gläubiger. Wenn der Vorstand seiner Rechenschaftspflicht nicht nachkommt, haben Gläubiger das Recht auf Einsicht. Darüber hinaus soll die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Geschäftsführungsverbots einen Schutzwall gegen unseriöse Auflösungen ohne Leistungen errichten.
Gemäß dem neuen Artikel 2:19b des “Burgerlijk Wetboek (BW)” ist der Geschäftsführer im Falle einer Turboliquidation verpflichtet, eine Reihe von Dokumenten offenzulegen und beim niederländischen Handelsregister zu hinterlegen. Dazu gehören unter anderem eine Schlussbilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung.
Gemäß dem neuen Abschnitt 2:19c des BW haben Gläubiger das Recht, die aufbewahrten Unterlagen der juristischen Person einzusehen, wenn der Geschäftsführer seiner Rechenschaftspflicht nicht nachkommt – selbst dann, wenn die eingereichten Unterlagen eindeutig falsch oder unvollständig sind.
Um dieses Recht auszuüben, benötigen sie jedoch eine Genehmigung von einem “kantonrechter” (Amtsrichter bzw. Bezirksrichter). Außerdem stellt die Nichteinhaltung der Buchhaltungspflicht in den Niederlanden ein Wirtschaftsdelikt dar.
Das Verwaltungsverbot, das bereits seit 2016 für Fälle von Konkursbetrug besteht, ist seit dem 15. November 2023 auch in Fällen von Turboliquidation rechtswirksam. Der neue Abschnitt 2:19c BW erlaubt es (ausschließlich) der Staatsanwaltschaft, ein Verwaltungsverbot in Fällen von böswilligen Auflösungen zu beantragen.
Das Verwaltungsverbot gilt in den Niederlanden für maximal fünf Jahre. Während dieses Zeitraums darf der Geschäftsführer weder zum Direktor noch zum Aufsichtsdirektor ernannt werden.
Die Anwälte von AMS Advocaten verfügen über umfangreiche Erfahrung im niederländischen Insolvenzrecht und hinsichtlich Liquidationen von Unternehmen in den Niederlanden. Bei Fragen zum niederländischen Recht wenden Sie sich bitte an unseren deutschsprachigen Anwalt Onno Hennis, Telefon +31 20 308 03 15.