Der Zugang zum Untersuchungsverfahren in den Niederlanden (enquête-procedure) steht Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie vollrechtsfähigen Stiftungen und Vereinen offen, die ein Unternehmen betreiben, für das ein Betriebsrat gesetzlich vorgeschrieben ist.
In der Praxis handelt es sich dabei fast immer um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Das niederländische Gesetz gibt folgenden Auskunftsberechtigten die Befugnis, sich an die Unternehmenskammer zu wenden:
Ob ein Antragsteller die erforderlichen Kapitalschwellenwerte erreicht, wird sowohl nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Untersuchungsantrags als auch nach dem Zeitpunkt der Entscheidung der Unternehmenskammer beurteilt.
In der Praxis ist also der Tag der mündlichen Verhandlung der maßgebliche Zeitpunkt.
Die Unternehmenskammer entscheidet über die Zulässigkeit des/der Antragsteller(s) auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt erhaltenen Informationen.
Sie beurteilt dann die Zulässigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung und prüft, ob diese Zulässigkeit bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigt wurde.
Aus der sogenannten „Emba-Entscheidung“ (Niederländisch emba-beschikking) ergibt sich, dass die Beeinträchtigung des Interesses des/der Antragsteller(s), wenn sie auf äußere Umstände zurückzuführen ist, die Zulässigkeit der Antragsteller nicht beeinträchtigen kann.
Ist die Beeinträchtigung auf eine andere Ursache zurückzuführen, etwa weil der Antragsteller nach Einreichung des Antrags über sein Interesse verfügt hat, führt eine vernünftige Auslegung von Artikel 2:346 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Unzulässigkeit.
Der sogenannte „Kreis der Enquête-Berechtigten“ ist in der Rechtsprechung der Unternehmenskammer und des Obersten Gerichtshofs etwas erweitert worden.
Der Grund für die Gewährung der Untersuchungsbefugnis an die im Gesetz genannten Berechtigten ist, dass sowohl Aktionäre als auch Zertifikatsinhaber dem betreffenden Unternehmen risikotragendes Kapital zur Verfügung stellen.
Allerdings sind Aktionäre und Zertifikatsinhaber nicht die einzigen Parteien, die risikotragendes Kapital bereitstellen. Infolgedessen hat sich die Rechtsprechung dahingehend entwickelt, dass bestimmte Parteien, die risikotragendes Kapital bereitstellen, mit Aktionären und Zertifikatsinhabern gleichgesetzt werden.
In der wichtigen Chinese Workers-Entscheidung aus dem Jahr 2013 entschied der Oberste Gerichtshof der Niederlande, dass Artikel 2:346 grundsätzlich eine abschließende Aufzählung ist (De Vries/Robbé).
Eine Gleichstellung von Anbietern von risikotragendem Kapital ist jedoch möglich. Dies gilt, wenn und soweit auf der Grundlage der Tatsachen und Umstände des Falles beurteilt werden kann, dass das eigene wirtschaftliche Interesse des Anbieters von risikotragendem Kapital an der Gesellschaft, auf die sich der Antrag bezieht, so beschaffen ist, dass es mit dem Interesse eines Aktionärs oder Zertifikatsinhabers dieser Gesellschaft gleichgesetzt werden kann.
Die Regelung des Untersuchungsverfahrens wurde für die einzelne juristische Person geschrieben, während in der Praxis viele Unternehmen nicht in einer einzigen juristischen Person, sondern in einer Gruppe von miteinander verbundenen juristischen Personen (auch Konzern oder Unternehmensgruppe genannt) zusammengefasst sind.
Um der wirtschaftlichen Realität des Konzerns gerecht zu werden, haben die Unternehmenskammer und der Oberste Gerichtshof der Niederlande den Zugang zum Untersuchungsverfahren mit Hilfe der Doktrin des so genannten Berechtigungsdurchbruchs (Chinese Workers) weit ausgelegt.
Ein weiteres in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickeltes Instrument ist die Konzernanfrage.
Sie kann von einem Antragsteller genutzt werden, um zusätzlich zu der juristischen Person, bei der der Antragsteller direkte Enquête-Befugnisse hat, eine Untersuchung und Bestimmungen bei einer oder mehreren juristischen Personen zu beantragen, die mit dieser juristischen Person verbunden sind.
In der sogenannten „SNS-Entscheidung“ hat der Oberste Gerichtshof der Niederlande zwei Voraussetzungen für die Anordnung eines Auskunftsverfahrens formuliert:
Die Tatsache, dass die zugrunde liegende Gesellschaft eine gewisse politische Freiheit besitzt, schließt dies nicht aus.
Das Gesetz schreibt in Artikel 2:349 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor, dass ein Antragsteller, bevor er die Unternehmenskammer um eine Untersuchung bittet, zunächst seine Einwände gegen die Geschäftsführung oder Abläufe schriftlich mitgeteilt haben muss.
Diese Einwände werden in einem sogenannten Einspruchsschreiben zum Ausdruck gebracht, das somit als Zulässigkeitsvoraussetzung für das Untersuchungsverfahren gilt.
Eine angemessene Frist (die von den Umständen des Falles abhängt) muss eingehalten werden, um die Verpflichtungen noch zu erfüllen.
Nur Einwände gegen die Geschäftsführung und Abläufe, die in der Einspruchsphase vorgebracht werden, können als Grundlage für die Gewährung eines Antrags auf Anordnung einer Untersuchung dienen.
Nach der derzeitigen Regelung ist es fast unmöglich, die Anforderung von Art. 2:346(1)(b) BW im Falle bestimmter „kleiner“ (börsennotierter) Gesellschaften zu erfüllen, da der Nennwert der Aktien dieser Gesellschaften begrenzt ist.
Indem das ausgegebene Kapital so strukturiert wird, dass die Gesellschaft innerhalb der Grenzen der „kleinen“ Gesellschaft eingestuft wird, fällt sie nicht unter die Regelung von Art. 2:346(1)(c) BW und die Enquête-Befugnis der Kapitalgeber und das damit verbundene Risiko eines aus Sicht (des Vorstands) der Gesellschaft unerwünschten Untersuchungsverfahrens kann reduziert werden.
Dieses Problem wird im Wagevoe-Gesetz durch die Einführung einer eigenen Zugangsvoraussetzung für börsennotierte Unternehmen angegangen. Kapitalgeber von börsennotierten Unternehmen, die 1 % des ausgegebenen Kapitals oder einen Wert von mindestens 20 Millionen Euro repräsentieren, haben somit Zugang zum Untersuchungsverfahren.
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