Es kommt des Öfteren vor, dass in einem Zivilprozess vor einem niederländischen Gericht ein Dokument in einer Fremdsprache als
Beweismittel
Im niederländischen Prozessrecht gilt das Prinzip, dass in einer Rechtssache ein Beweis durch jedes Mittel erbracht werden kann. Die Beweiswürdigung liegt im Ermessen des Richters...
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Beweismittel vorgelegt wird. Aber fast alle niederländischen Richter beherrschen Englisch und die meisten daneben auch noch Deutsch und/oder eine andere Sprache. Ist es daher erforderlich, in einem Verfahren vor dem niederländischem Gericht eine (beglaubigte) Übersetzung vorzulegen? Der Anwalt für (niederländisches) Prozessrecht, Otto Hennis, beantwortet diese Frage anhand eines Urteils des niederländischen Hohen Rates.
Der Ausgangspunkt ist, dass der Zivilprozess vor dem niederländischen Prozess in niederländischer Sprache geführt wird. Auch das Verfahrensrecht und die Verfahrensordnung sind in niederländischer Sprache verfasst und Auch das Urteil ergeht in niederländischer Sprache. Dazu gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme, nämlich den Netherlands Commercial Court (NCC), aber dazu später mehr.
Da die Niederlande eine wichtige Rolle im internationalen Handelssystem einnehmen, bestehen viele Wirtschaftsbeziehungen zu ausländischen Parteien. Bei diesen Beziehungen ist oftmals Englisch die führende Sprache. Deutschland ist für die Niederlande der wichtigste Handelspartner.
In Zivilprozessen ist es dann auch eher die Regel als die Ausnahme, dass wichtige Dokumente in einer Fremdsprache verfasst sind. Oftmals zitieren Anwälte die relevanten Beweismittel in der ursprünglichen Sprache. Das können unter anderem E-Mails,
Vertrag
Die Urkunde, worin ein Vertrag zwischen den Parteien begründet wird. In weiterem Sinn wird damit auch der Vertrag selbst bezeichnet.
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Verträge oder Mitschriften von Gesprächen sein. Um auf Nummer sicher zu gehen – und vor allem dann, wenn die Materie oder die Sprache komplex ist – wird oftmals eine (beglaubigte oder nicht beglaubigte) Übersetzung beigefügt.
Aber was ist, wenn der Anwalt keine Übersetzung beifügt? Darf das Gericht dies dann einfach unberücksichtigt lassen? In einem Rechtsstreit zwischen einem Niederländer und einem Deutschen hat der Oberste Gerichtshof diese Frage durch die Annahme einer Rechtsnorm verneint.
Laut dem Hohen Rat gelten die folgenden drei Ausgangspunkte. Erstens ist eine Übersetzung eines Beweismittels nicht erforderlich, sofern weder das Gericht noch die gegnerische Partei diese für eine ordnungsgemäße Beurteilung von dessen Inhalt benötigen. Zweitens müssen Beweismittel in englischer, französischer oder deutscher Sprache prinzipiell nicht übersetzt werden, der Richter kann aber eine Übersetzung verlangen, wenn er dies unter anderem angesichts der Interessen der gegenerischen Partei für die Bearbeitung der Sache für erforderlich oder wünschenswert erachtet. Drittens müssen Beweismittel in einer anderen Fremdsprache aber tatsächlich übersetzt werden.
Der Hohe Rat hat darüber hinaus entschieden, dass in Fällen, in denen eine Übersetzung fehlt, das Gericht sie aber dennoch für notwendig oder wünschenswert hält, unabhängig davon, ob die gegnerische Partei dies beantragt hat oder nicht, der gegnerischen Partei dennoch die Möglichkeit gegeben werden muss, eine Übersetzung vorzulegen, sofern die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahrens nicht etwas anderes vorschreiben.
Der Richter kann dann eine von einem ermächtigten Übersetzer erstellte und unterzeichnete Übersetzung verlangen. Dies steht dem Richter frei. In der Praxis kommt es vor, dass der Richter von beiden Parteien die Vorlage einer beglaubigten Übersetzung verlangt, sodass der Richter diese Übersetzungen vergleichen kann. Dies wird insbesondere in Fragestellungen der Fall sein, in denen die sprachliche Auslegung einer in einer Fremdsprache erstellten Vertragsklausel ausschlaggebend ist.
Seit 2019 ist es in internationalen Angelegenheiten möglich, ein Verfahren beim NCC anhängig zu machen. Das NCC ist ein speziell gegründetes Gericht in Amsterdam, bei dem spezialisierte Richter komplexe Sachen in einem Verfahren beurteilen, das vollständig in englischer Sprache geführt wird. Auch das Urteil ergeht in englischer Sprache, hat aber denselben rechtlichen Status wie ein Urteil des Gerichts und kann auf dieselbe Weise in der gesamten Europäischen Union vollstreckt werden.
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