Immer häufiger vereinbaren Parteien, eventuell zwischen ihnen entstandene Streitigkeiten durch Schiedsverfahren beizulegen. Zu den Vorteilen einem Schiedsverfahren gehören ein schnelles und flexibles Verfahren, Vertraulichkeit und Sachkenntnis. Bei internationalen Beziehungen kommen noch die einfache Vollstreckung und die Wahl eines neutralen Forums hinzu. Eine Schiedsvereinbarung hat jedoch zur Folge, dass ein ordentliches Gericht unzuständig ist. Das zeigte auch ein Fall, der vor das Gericht erster Instanz in Amsterdam gebracht wurde. Onno Hennis, Rechtsanwalt für Verfahrensrecht, erläutert dies.
Auslöser für dieses Verfahren war ein
Arbeitsvertrag
Der Vertrag, wodurch sich die eine Partei, der Arbeitnehmer, verpflichtet, für bestimmte Zeit im Dienst der anderen Partei, des Arbeitgebers, gegen Entlohnung Arbeit zu verrichten...
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Arbeitsvertrag zwischen einem Niederländer und einem amerikanischen Handelsunternehmen. Der Mann wurde 2006 zum Geschäftsführer der niederländischen Tochtergesellschaft ernannt, mit der er auch einen Arbeitsvertrag abschloss. Dieser enthielt die folgende Schiedsklausel: „Jeder Rechtsstreit, der aus oder in Verbindung mit diesem
Vertrag
Die Urkunde, worin ein Vertrag zwischen den Parteien begründet wird. In weiterem Sinn wird damit auch der Vertrag selbst bezeichnet.
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Vertrag entsteht, wird einer rechtsverbindlichen Schiedsgerichtsbarkeit der Stadt Chicago, Illinois, gemäß der zum betreffenden Zeitpunkt gültigen Fassung der Schiedsverfahrensregeln der NASD [National Association of Securities Dealers, US-amerikanische Vereinigung der Börsenhändler] unterbreitet.“ In dem Arbeitsvertrag hatten die Parteien ferner das Recht des US-Bundestaates Illinois für anwendbar erklärt.
2012 wurde der Niederländer als satzungsgemäßer Geschäftsführer entlassen. Daraufhin erhob er Klage beim Gericht erster Instanz in Amsterdam. In dem Verfahren forderte er die Zahlung der ihm aufgrund des Arbeitsvertrages zustehenden Provisionen. Für die Berechnung dieser Provisionen ersuchte er das Gericht ferner, seinen Arbeitgeber dazu zu verurteilen, Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren.
Mittels eines Zwischenstreits über die Zuständigkeit berief sich der Arbeitgeber jedoch auf die Schiedsklausel. Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, dass das Gericht in Amsterdam sich für unzuständig erklären müsste, da im Arbeitsvertrag das Schiedsverfahren vereinbart worden sei. Diese Ansicht ist grundsätzlich korrekt: Wenn und soweit eine rechtsgültig vereinbarte Schiedsklausel vorliegt, liegt die ausschließliche Zuständigkeit bei Schiedsrichtern und kann der Niederländer das Verfahren nicht beim Gericht in Amsterdam anhängig machen.
Der Niederländer war jedoch – zu Unrecht – der Auffassung, dass das niederländische Gericht (ebenfalls) zuständig sei, da die EuGVVO (nun: Brüssel-Ia-Verordnung) auch vorsieht, dass „ein Arbeitgeber vor den Gerichten des Mitgliedstaates verklagt werden kann, wo er [der Arbeitgeber] seinen Wohnsitz hat“. Der Arbeitgeber war dagegen der Meinung, dass laut EuGVVO die Rechtsstreitigkeit der Gerichtsbarkeit des Gerichtes in Amsterdam unterstehe, dass jedoch dieses Gericht dennoch nicht zuständig sei. Die Parteien hätten mit der Schiedsklausel ja die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes ausgeschlossen. Das Gericht schloss sich dieser Argumentation des Arbeitsgebers an.
Daraufhin untersuchte das Gericht, ob eine rechtsgültige Schiedsvereinbarung vorlag. Denn wenn und soweit keine gültige Schiedsvereinbarung bestünde oder die Rechtsstreitigkeit nicht in den Anwendungsbereich der Schiedsklausel fiele, wäre das Gericht doch noch zuständig. Um die Rechtsgültigkeit der Schiedsklausel beurteilen zu können, musste das Gericht zuerst prüfen, welches Recht auf die Schiedsklausel anwendbar war.
Der Niederländer argumentierte, dass nicht das Recht des Staates Illinois auf die Schiedsklausel anwendbar sei, sondern das niederländische Recht. Dafür berief er sich auf den Vertrag von Rom (jetzt: Rom-II-Verordnung). Er vertrat die Ansicht, dass die Rechtswahl ungültig sei, da die Tätigkeiten von den Niederlanden aus ausgeübt worden seien. Das Gericht schloss sich dieser Argumentation nicht an. Es entschied, dass die Tätigkeiten von den Vereinigten Staaten aus verrichtet worden waren, dass jedenfalls der Arbeitsvertrag enger mit den Vereinigten Staaten verbunden war.
Das Gericht entschied, dass die vereinbarte Schiedsklausel nach dem Recht des Staates Illinois gültig war. Diese Entscheidung basierte unter anderem auf einer „Legal Opinion“, einer rechtlichen Stellungnahme, eines amerikanischen emeritierten Professors, die der Arbeitgeber im Verfahren vorgebracht hatte. Die Klausel verwies ja auf „jeden Rechtsstreit, der aus oder in Verbindung mit diesem Vertrag entsteht“. Das Gericht erwog, dass die Forderungen des Niederländers (Zahlung der Provisionen und Einsicht in die Geschäftsbücher) darunter fielen. Im Übrigen wies das Gericht darauf hin, dass die Schiedsklausel auch dann gültig wäre, wenn niederländisches Recht anwendbar wäre.
Abschließend vertrat der Niederländer die Ansicht, dass die Geltendmachung der Schiedsklausel nach Maßgabe von Treu und Glauben unannehmbar sei. Schließlich sei das Handelsunternehmen inzwischen aufgelöst und ein Liquidator bestimmt worden. Sollte sich das Gericht für unzuständig erklären, so befürchtete er, dass in Kürze das Handelsunternehmen nicht mehr bestünde und es fraglich sei, ob ein Schiedsverfahren oder Regress dann noch möglich seien. Das Gericht wies seine Einrede zurück. Der Niederländer (oder sein Anwalt) hätte sich selbst dafür entschieden, die Rechtsstreitigkeit ungeachtet der Schiedsklausel bei Gericht anhängig zu machen (anstatt bei den von den Parteien gewählten Schiedsrichtern). Für die nachteiligen Folgen dieser Wahl sei er im Prinzip selbst verantwortlich.
An diesem Fall zeigt sich, wie wichtig es ist, sich bei der Einleitung eines Gerichtsverfahrens richtig zu entscheiden. Ist eine Schiedsklausel in einem Vertrag aufgenommen, sind Sie grundsätzlich daran gebunden. Das ordentliche Gericht erklärt sich in der Regel für unzuständig.