Einer der Grundsätze der Schiedsgerichtsbarkeit ist, dass das Schiedsverfahren an sich sowie der Schiedsspruch grundsätzlich vertraulich sind. Ein vor kurzem ergangenes Urteil des zentralniederländischen Landgerichts (rechtbank Midden-Nederland) zeigt, dass es gegebenenfalls möglich ist, eine Ausfertigung eines Schiedsspruchs zu erhalten, selbst wenn man nicht am Verfahren beteiligt war. Rechtsanwalt Onno Hennis erläutert den Fall.
In diesem Fall wollte das Bauunternehmen Strukton eine Ausfertigung eines Schiedsspruchs, der im Verfahren zwischen dem Bahnbetreiber ProRail und dem Bauunternehmer VolkerRail erging. Der Schiedsspruch hätte zeigen können, dass ProRail einen
Vertrag
Die Urkunde, worin ein Vertrag zwischen den Parteien begründet wird. In weiterem Sinn wird damit auch der Vertrag selbst bezeichnet.
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Vertrag ihm gegenüber unbillig ausgelegt hat.
Das Schiedsverfahren ist grundsätzlich vertraulich. ProRail und VolkerRail führten ein Verfahren gemäß der NAI-Schiedsordnung, die besagt, dass alle direkt oder indirekt beteiligten Personen das Schiedsverfahren vertraulich behandeln müssen.
In einer darauffolgenden Ausschreibung wurde jedoch der Inhalt des Schiedsverfahrens zum Teil veröffentlicht. VolkerRail forderte ProRail nämlich auf, den Entwurf der Ausschreibungsunterlagen abzuändern und dabei die Auffassung des Schiedsgerichts zu berücksichtigen, wonach ProRail einen Vertrag unbillig ausgelegt hatte. Das Unternehmen Strukton wurde darauf aufmerksam, da es sich auch an dieser Ausschreibung beteiligte. Da Strukton
Vertrag
Die Urkunde, worin ein Vertrag zwischen den Parteien begründet wird. In weiterem Sinn wird damit auch der Vertrag selbst bezeichnet.
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Verträge mit ProRail abgeschlossen hat, die jenen von VolkerRail entsprechen, wollte Strukton wissen, in welchen Punkten das Schiedsgericht der Ansicht war, dass ProRail den Vertrag unbillig ausgelegt hatte.
In der Folge bat Strukton ProRail um Einsichtnahme in den Schiedsspruch. ProRail lehnte dies ab und berief sich auf die vereinbarte Vertraulichkeit. VolkerRail hingegen schien keine Einwände gegen die Einsichtnahme in den Schiedsspruch zu haben. VolkerRail wies auch darauf hin, dass im Schiedsspruch keine geschäftskritischen Informationen enthalten seien.
Daraufhin leitete Strukton ein Eilverfahren ein und forderte im Zuge dessen Einsichtnahme in den Schiedsspruch oder die Übermittlung des Schiedsspruchs. Strukton argumentierte, dass die Voraussetzungen für eine Einsichtnahme erfüllt seien und dass es keinen zwingenden Grund für ProRail gebe, die Einsichtnahme zu verweigern.
Der Richter entschied bezüglich des vorläufigen Rechtsschutzes zunächst, dass die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens und seines Ausganges wichtig ist. Das Gericht stellte dann aber fest, dass grundsätzlich nur die Parteien des Schiedsverfahrens zur Vertraulichkeit verpflichtet seien. Ein Dritter unterliegt hingegen nicht dieser Vertraulichkeit. Der Richter war ferner der Ansicht, dass Strukton ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme hatte. Zwischen Strukton und ProRail gab es in der Tat seit längerem Verhandlungen über die Auslegung bestimmter vertraglicher Definitionen. Der Schiedsspruch könnte diesbezüglich Klärung schaffen, was wiederum Streitigkeiten belegen und unnötige Verfahren vermeiden könnte.
Das Gericht entschied zudem, dass ProRail keinen triftigen Grund zur Verweigerung der Offenlegung hatte. Abgesehen von dem Verweis auf die strenge Vertraulichkeit konnte ProRail die Einwände gegen die Offenlegung des Schiedsspruchs nicht angemessen begründen. Das Gericht war der Ansicht, dass ProRail als Bahnbetreiber bei seinen Ausschreibungen die Bieter gleich behandeln muss, weshalb es sich nicht vereinbaren ließe, dass eine Partei über gewisse Informationen verfügt und die andere nicht.