In Phasen des Wirtschaftsaufschwungs erkunden mehr Unternehmen den Markt für Zusammenschlüsse und Übernahmen. Das ist im Prinzip die Geschichte des Jägers und des Gejagten. Das zeigt sich auch bei dem amerikanischen Pharmazeuten Mylan. Am 21. April dieses Jahres hat Teva 40 Milliarden Euro für die Übernahme von Mylan angeboten. Über neue niederländische Schutzkonstruktionen versucht Mylan jedoch, sich dem Zugriff des Pharmazieunternehmens Teva zu entziehen. Marco Guit, Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht, bespricht diese Angelegenheit.
Das niederländische Gesellschaftsklima bietet börsennotierten Gesellschaften die Möglichkeit, sich vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Die Börsenfondsen sind zu 40% mit einem Schutzwall versehen. Sie können nämlich Vorzugsaktien ausgeben, um sich vor feindlicher Übernahme zu schützen, so zeigte sich kürzlich gemäß einem Artikel im Financieele dagblad.
Die Abwehrmechanismen sind bereits bei dem Machtkampf zwischen Boskalis und Fugro in den Nachrichten erwähnt worden. Fugro besaß immerhin drei: (i) eine
Stiftung
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Stiftung Vorzugsaktien, (ii) die Zertifizierung der Aktien über eine Stiftung mit dem Namen „Stichting Administratiekantoor“, wobei sich das Stimmrecht in Händen eines STAK befindet und nicht bei den Inhabern von börsennotierten Zertifikaten und (iii) die Stiftung Kontinuität Fugro mit Sitz auf Curaçao, die ein Optionsrecht auf gewisse Geschäftsbereiche von Fugro hat und somit (je nach Bedarf) auch Geschäftsbereiche übernehmen kann, wenn eine feindliche Übernahme droht.
Mylan hatte ihren Sitz erst kürzlich in die Niederlande verlegt. Das Unternehmen war aus Pennsylvania nach Amsterdam umgezogen, nicht nur um die fiskalen Möglichkeiten nutzen zu können, die sich in den Niederlanden bieten, sondern insbesondere auch, um entsprechende Abwehrmechanismen einzurichten – wobei das alles darauf abzielte, sich vor Teva zu schützen. Am 3. April 2015 hat Mylan daher auch direkt eine „Stiftung Preferred Shares Mylan“ ins Leben gerufen. Darüber hinaus versucht Mylan ihrerseits, Perrigo zu übernehmen, um auf diese Weise für Teva zu groß zu werden und die Übernahme auf diese Weise abzuwenden. Diese letztgenannte Schutzmaßnahme wird auch als „Pandora-Konstruktion“ bezeichnet.
Die Stiftung hat zum Ziel, Mylan vor der Übernahme zu schützen, und bewerkstelligt dies, indem sie eine der Gesellschaft zugeflossene Option in Barwerte umwandelt – was die Möglichkeit bietet, Vorzugsaktien einzukaufen. Sie darf hierzu übergehen, wenn (gemäß ihrer
Satzung
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Vereinigungen und Stiftungen müssen die Satzung in der notariellen Urkunde enthalten...
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Satzung) ein nicht vom Vorstand unterstütztes Angebot auf die gezeichneten Aktien der
Aktiengesellschaft
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Aktiengesellschaft Mylan N.V. erfolgt.
Gemäß Artikel 2.01 beläuft sich das Gesellschaftskapital von Mylan auf 24 Millionen Euro. Dieser Betrag verteilt sich auf zwei verschiedene Arten von Aktien – „normale Aktien“ und „Vorzugsaktien“. Beide Arten von Aktien besitzen einen Nominalwert von je 0,01 Eurocent. Über diese Vorzugsaktien kann Einfluss auf die Zusammensetzung der Hauptversammlung der Aktionäre von Mylan ausgeübt werden und somit kann auch die Entscheidungen der Hauptversammlung dadurch beeinflusst werden.
Dies ist aus dem Grund zulässig, weil die Satzung von Mylan die Befugnis zur Ausgabe von Aktien dem Vorstand überträgt – normalerweise obliegt diese nämlich der Hauptversammlung der Aktionäre. Der Vorstand hat die Möglichkeit, der Stiftung eine Call-Option zu erteilen. Diese Call-Option beinhaltet die Übernahme von Vorzugsaktien mit einem Gesamt-Nominalwert in Höhe des Nominalwerts aller „normalen Aktien“. Damit erhält die Stiftung die Möglichkeit, sich in der Hauptversammlung einzubringen und dort ihre Auffassung (oder die des Vorstands) durchzudrücken.
Die Frage ist, ob dies alles so einfach geht und ob man derartige Abwehrmechanismen auch umgehen kann. Boskalis hat versucht, diesen Abwehrmechanismus als Tagesordnungspunkt bei der Aktionärsversammlung von Fugro auf die Tagesordnung zu setzen, um dort darüber abstimmen zu können. Die Art und Weise, in der diese Schutzmaßnahmen eingesetzt werden, kann natürlich gerichtlich überprüft werden.
Der jeweilige Richter wird prüfen, ob eine sorgfältige gesellschaftliche Interessenabwägung vorgenommen wurde und ob die Verfahrensweise hinreichend untermauert ist. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Vorgehensweise überprüfen zu lassen, und zwar bei der Unternehmenskammer. Zu diesem Thema haben wir uns bereits vielfach geäußert.
Sollte das Recht der Call-Option trotzdem ausgeübt werden und die Stiftung Preferred Shares Mylan erlangt entsprechend Aktien, dann ist es beispielsweise möglich, zu untersuchen, ob die Entscheidung gemäß Artikel 2:15 Absatz 1 unter Punkt b jo 2:8 BW in einem Eilverfahren rückgängig gemacht werden kann, da die Entscheidung zur Ausgabe der Aktien möglicherweise entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ist.
Vorläufig scheint es genügend Optionen zu geben, um die Vorgehensweise der neuen, plötzlich in Amsterdam niedergelassenen Gesellschaft Mylan N.V. zu prüfen. Die Zukunft wird auf jeden Fall zeigen, ob Mylan ihren Interessen in hinreichendem Umfang Rechnung getragen hat. Schließlich ist zu erwarten, dass solche Konstruktionen noch gerichtlich überprüft werden.