In einem früheren Blog habe ich erläutert, dass das niederländische Recht für Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern ein spezielles – und oft verwendetes und effektives – Verfahren vorsieht. Im Prinzip steht dieses Untersuchungsverfahren nur Gesellschaftern einer N.V. oder einer B.V. offen. In einem Urteil aus dem Jahr 2013 hat der niederländische Hohe Rat, das oberste ordentliche Gericht der Niederlande, jedoch bestätigt, dass unter Umstände auch ein Gesellschafter in einer deutschen Holdinggesellschaft zulässigerweise Untersuchungsrecht hat. Niederländisch rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht Onno Hennis erläutert dies.
Nach den Buchstaben des Gesetzes sind zur Einbringung eines Untersuchungsantrags (eines Antrags auf Einleitung einer Untersuchung bezüglich der Geschäftsführung und Geschäftspraxis der juristischen Person) bei der Unternehmenskammer berechtigt:
Die Ausgangssituation ist daher, dass nur die (unmittelbaren) Inhaber von Anteilen oder Zertifikaten einer Gesellschaft, auf die sich der Antrag bezieht, berechtigt sind, einen Untersuchungsantrag einzubringen.
In der zuvor zitierten Gerichtsentscheidung hat der Hohe Rat jedoch ausgesprochen, dass die Reichweite des Untersuchungsrechts dazu führt, dass „der Kapitalgeber eines Risikokapitals mit einem eigenen wirtschaftlichen Interesse an der Gesellschaft, dass insoweit mit dem Interesse eines Gesellschafters oder Zertifikatinhabers gleichgesetzt werden kann, zur Anwendung von Artikel 2:346 Absatz litt. b des Burgerlijk Wetboek, des niederländischen Zivilgesetzbuchs, mit den unmittelbaren Gesellschaftern gleichgestellt werden muss.“ Der Hohe Rat hat schon öfter ausgesprochen, dass unter Umständen auch andere als nur die Gesellschafter berechtigt sind, einen Untersuchungsantrag einzubringen.
In diesem Fall war der Antragsteller der Untersuchung eine Person, die einen Teil der Anteile an einer chinesischen Gesellschaft besaß. Die chinesische Gesellschaft besaß ihrerseits alle Anteile an der niederländischen Gesellschaft Chinese Workers B.V. Der Antragsteller besaß aber keine unmittelbaren Anteile an Chinese Workers B.V. Dennoch brachte dieser indirekte Gesellschafter einen Untersuchungsantrag gegen Chinese Workers B.V. ein.
Der andere (indirekte) Gesellschafter machte geltend, dass der Antragsteller nicht anspruchsberechtigt war, weil der Antragsteller kein (direkter) Gesellschafter der niederländischen Gesellschaft war. Der Anteilsbesitz an der chinesischen Gesellschaft bewirkte noch nicht, dass zur Anwendung von Artikel 2:346 des Burgerlijk Wetboek angenommen werden kann, dass er ein relevantes eigenes wirtschaftliches Interesse an Chinese Workers B.V. besitzt.
Die Unternehmenskammer des Gerichtshofs Amsterdam hat den Antrag jedoch für zulässig erklärt. Die Unternehmenskammer befand, dass die wirtschaftliche Realität dazu führt, dass der Gesellschafter der chinesischen Gesellschaft in Bezug auf die niederländische B.V. einen Antrag einbringen können muss, weil die Gesellschafter der chinesischen Gesellschaft in Bezug auf Chinese Workers B.V. als die wirtschaftlich Berechtigten zu betrachten sind.
Der Hohe Rat bestätigte im Revisionsverfahren das Urteil der Unternehmenskammer. Nach Ansicht des Hohen Rats beeinträchtigte der Umstand, dass der antragstellende Gesellschafter der chinesischen Gesellschaft keine unmittelbaren Anteile an Chinese Workers B.V. besaß, nicht die Tatsache, dass dieser Gesellschafter tatsächlich der Kapitalgeber des Risikokapitals der BV ist. Somit hat (auch) dieser Gesellschafter ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der BV, welches mit dem Interesse eines Gesellschafters gleichgestellt werden kann.
Die Entscheidung des Hohen Rats folgt den früheren Entscheidungen über den Zugang zum Untersuchungsverfahren. Die Entscheidung ist für deutsche Investoren in niederländischen Kapitalgesellschaften von Interesse. Selbst wenn Sie keine unmittelbare Beteiligung an einer niederländischen BV haben, ist es möglich, dass Sie von dem Untersuchungsrecht Gebrauch machen können, zum Beispiel wenn zwischen den Gesellschaftern eine Pattsituation entsteht. Das Untersuchungsverfahren ist des Weiteren eine starke Waffe für Gesellschafter, um die von der juristischen Person geführten Geschäfte untersuchen zu lassen und eventuell feststellen zu lassen, dass ein Missmanagement vorliegt bzw. vorlag. Die Unternehmenskammer kann im Rahmen eines Untersuchungsverfahrens im Hinblick auf das Interesse der juristischen Person umfassende einstweilige Maßnahmen treffen.
Wenn Sie dazu Fragen haben, zögern Sie nicht und nehmen sie Kontakt mit AMS Advocaten auf.