Laut Gesetz kann eine Partei Zugang zu den Büchern und Unterlagen einer anderen Partei verlangen, wenn diese Partei ein berechtigtes Interesse daran hat. Selbstverständlich gilt dieses Recht nicht unbegrenzt. Zu Beginn dieser Woche lehnte der für einstweilige Verfügungen zuständige Richter im Verfahren für vorläufigen Rechtsschutz am Bezirksgericht Rotterdam eine solche Klage von Essilux in einem wichtigen Fall ab. Onno Hennis geht auf die juristische Argumentation ein und erörtert den Fall.
Essilux (vollständiger Unternehmensname: Essilorluxottica S.A., eine französische Gesellschaft) und GrandVision N.V. sind beide auf dem (Mode-)Brillenmarkt tätig. Essilux will GrandVision schon seit einiger Zeit übernehmen und verhandelt zu diesem Zweck mit dem Aktionär/Mutterunternehmen von GrandVision.
Infolge der COVID-19-Pandemie musste GrandVision einige Notmaßnahmen ergreifen, um den Kopf über Wasser zu halten. So musste GrandVision beispielsweise in mehreren Ländern Geschäfte schließen und Mitarbeiter entlassen. Darüber hinaus konnte GrandVision zusätzliche Finanzmittel generieren. Essilux war jedoch der Meinung, dass GrandVision und der Aktionär Essilux darüber hätten informiert werden müssen. GrandVision und der Aktionär unterließen dies, woraufhin Essilux eine Einsicht in die Geschäftsbücher von GrandVision und des Aktionärs forderte.
Laut Gesetz kann eine Partei Einsicht, eine Kopie oder einen Auszug bestimmter Dokumente einer anderen Partei verlangen. Das Gesetz sieht dafür drei Bedingungen vor: (1) die Dokumente müssen ein Rechtsverhältnis mit dem Antragsteller begründen, (2) der Antragsteller muss ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die Dokumente haben und (3) der Antragsteller muss die entsprechenden Kosten tragen.
Dieses Recht gilt natürlich nicht unbegrenzt und darf zum Beispiel nicht dazu benutzt werden, um zufällig Zugang zu allen Aufzeichnungen und Dokumenten einer anderen Person (Fishing Expedition) zu erhalten. Darüber hinaus muss in bestimmten Fällen eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und den Interessen der für die Verwaltung der Unterlagen verantwortlichen Person erfolgen.
In einem einstweiligen Verfahren forderte Essilux eine Abschrift eines Großteils der Unterlagen und Dokumente von GrandVision und dem Aktionär. Essilux begründete dies damit, dass diese Unterlagen möglicherweise eine Pflichtverletzung von GrandVision nachweisen könnten. GrandVision wehrte sich dagegen u.a. mit der Behauptung, die Unterlagen enthielten geschäftsvertrauliche Informationen. Der Zugang zu den Unterlagen würde daher den Interessen von GrandVision unangemessen schaden.
Wie oben erwähnt, wies das Gericht die Forderung von Essilux zurück. GrandVision und der Aktionär mussten Essilux die Unterlagen nicht zur Verfügung stellen. Ein wichtiger Grund dafür war, dass das Gericht der Auffassung von GrandVision folgte, dass die Dokumente geschäftsvertrauliche Informationen von GrandVision enthielten. Nach Ansicht des für einstweilige Verfügungen zuständigen Richters könnte Essilux möglicherweise einen unangemessenen Vorteil erhalten, wenn es Einsicht in die Unterlagen von GrandVision – immerhin ein Mitbewerber von Essilux – erhielte. Ferner berücksichtigte der Richter auch, dass es zu schwierig sei, in einem einstweiligen Verfügungsverfahren festzustellen, ob GrandVision ihre Verpflichtungen gegenüber Essilux im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie verletzt hatte.
Ein Zugang zu den Unterlagen oder Dokumenten einer anderen Partei zu fordern kann von hohem Nutzen sein. Insbesondere dann, wenn der Verdacht besteht, dass diese Informationen in einem Verfahren hilfreich sein können. Dennoch gibt es strenge Auflagen für einen Zugang zu derartigen Unterlagen. Darüber hinaus können mehrere relevante Tatsachen und Umstände eine Rolle spielen, damit ein Richter den einem Antrag auf Einsichtnahme in die Unterlagen stattgeben oder ablehnen kann.
Haben Sie Fragen zu den Möglichkeiten, den Zugang zu Unterlagen und Dokumenten von jemand anderem einzufordern? Dann wenden Sie sich an AMS Advokaten!