Ein Rechtsstreit über eine Urheberrechtsverletzung endet nicht mit der Feststellung, dass eine Verletzung der Urheberrechte des Urheberrechtsinhabers begangen wurde. Der anschließende Schritt ist natürlich, dass der Rechtsverletzer den beim Urheberrechtsinhaber entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Aber wie wird ein solcher Schadensersatz festgesetzt? Rechtsanwalt Hidde Reitsma bespricht dieses Thema anhand einer kürzlichen Entscheidung.
Siemens ist Entwickler des Softwareprogramms „NX“, das unter anderem zur „3D Modellierung“ verwendet wird. Diese NX Software besteht aus diversen Modulen, die einzeln abgenommen werden können. Siemens leitete ein Verfahren gegen 4 Parteien ein, die zusammen als „ATG“ bezeichnet werden. Zwischen Siemens und ATG bestand bereits eine Handelsbeziehung, wobei ATG Module aus der NX Software abnahm und damit Lizenzen (= Nutzungsrechte) erworben hatte. Im Jahr 2013 wurde über den Erwerb einer Lizenz für noch ein Modul gesprochen, nämlich das NX3-Modul. Schließlich verzichtete aber ATG darauf.
Siemens hat in der NX Software einen Sicherheitsmechanismus eingebaut, der meldet, wenn es sich um eine illegale Kopie handelt. Anfang 2017 erhielt Siemens eine Meldung über eine illegale Kopie, die aus dem Unternehmensnetzwerk von ATG stammte. Siemens veranlasste kurz danach eine vorläufige Beschlagnahme zur Herausgabe der rechtsverletzenden Sachen und eine Beschlagnahme von
Beweismittel
Im niederländischen Prozessrecht gilt das Prinzip, dass in einer Rechtssache ein Beweis durch jedes Mittel erbracht werden kann. Die Beweiswürdigung liegt im Ermessen des Richters...
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Beweismitteln bei ATG. Auf den beschlagnahmten Datenträgern fand man illegale Kopien der Versionen 9 und 10 der NX Software.
ATG erkannte die rechtsverletzenden Handlungen an. Es wurde erwiesen, dass einer ihrer Arbeitnehmer 2015 eine geknackte Version des NX Softwarepakets auf seinem Computer installiert hatte. ATG gab an, dass dieser Arbeitnehmer nur damit zu tun hatte, das NX3-Modul zu nutzen, und dies insgesamt nur für 20 Stunden. ATG trifft als Arbeitgeber eine Gefährdungshaftung für Schäden, die ihre Arbeitnehmer Dritten zufügen.
Als Schadensersatz bot ATG an, 1x die Lizenzgebühr für das NX3-Modul zu bezahlen und 2x eine jährliche Wartungsgebühr und diesen Gesamtbetrag dann noch einmal zu verdoppeln. Dies machte circa € 54.000,- aus. Siemens erhob ebenso Anspruch auf eine Lizenzgebühr für das ganze NX Softwarepaket, da die illegale Kopie einen Zugriff auf alle Module ermöglichte. Da man zwei Versionen fand, machte der zu leistende Schadensersatz nach Ansicht von Siemens 2x die Lizenzgebühr für das ganze NX Softwarepaket aus, somit einen Betrag von circa € 454.000,-. Außerdem wäre noch Rufschädigung gegeben und es seien Aufwendungen zur Schadensfeststellung gemacht worden.
Der Richter meinte, dass die Grundlage des Schadensersatzrechts im Allgemeinen die Vergütung entsprechend dem tatsächlich entstandenen oder zu entstehenden Schaden sei; eine konkrete Schadensberechnung, die einen Vergleich zwischen dem Zustand umfasst, der tatsächlich besteht, und dem Zustand, der entstanden wäre, wenn die schadensauslösende Handlung nicht begangen worden wäre. Wenn der Umfang nicht genau festgestellt werden kann, so wird er geschätzt. Da bei einer Urheberrechtsverletzung eine konkrete Berechnung oft schwierig anzustellen ist, kann der Richter den Schadensersatz auch als Pauschalbetrag festsetzen. Dieser stellt dann einen abstrakten Schadensersatz dar.
Bei der Bestimmung des Schadensersatzes im Fall einer Urheberrechtsverletzung müssen alle Umstände des Falls berücksichtigt werden, wie der dem Berechtigten entstandene Einkommensverlust, der durch den Rechtsverletzer
Unrechtmäßig
Sind Sie neugierig über die Bedeutung von Unrechtmäßig? AMS Advocaten erklärt es.
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Unrechtmäßig erzielte Gewinn und der dem Urheberrechtsinhaber zugefügte immaterielle Schaden. Alternativ dazu kann der Betrag des Schadensersatzes auch aus Elementen wie dem Betrag der Royalties oder Gebühren abgeleitet werden, der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Rechtsverletzer um die Zustimmung gebeten hätte.
In diesem Fall befand das niederländische Gericht, dass sich der geforderte Schadensersatz von Siemens nicht auf die Grundlage der Schadensbezifferung stützte, nämlich, dass der tatsächliche Schaden zu ersetzen ist. Siemens wurde dann auch ein Schadensersatz von 1x der Lizenzgebühr und 2x der Wartungsgebühr mit einem Gesamtbetrag von circa € 30.000,- zugesprochen. Für einen immateriellen Schaden fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang. Es wurden aber noch Kosten für die Feststellung des Schadens zugesprochen, sowie ein Prozesskostenersatz inklusive der unter anderem entstandenen Kosten für die Beschlagnahme, was schließlich insgesamt einen Betrag ergab, den ATG bereits vorher an Siemens vorgeschlagen hatte.